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Machen Sie Schluss mit der Servicewüste

Machen Sie Schluss mit der Servicewüste

 

Die Begrifflichkeit der Servicewüste ist inzwischen fast 25 Jahre alt. Erstmalig geprägt wurde der Begriff von Hermann Simon im Magazin Spiegel 51/1995. Über die Jahre ist die Servicewüste eng mit dem Wirtschaftsstandort Deutschland verbunden worden, lange Zeit galt die Bundesrepublik als vollkommene Servicewüste. Obwohl sich seit dem Jahre 1995 eine Menge getan hat, ist die grundsätzliche Prämisse auch heute noch in vielen Betrieben erfüllt. Die Begrifflichkeit bezeichnet nämlich das Fehlen „akzeptabler Dienstleistungen“ und drückt aus, dass die Aufmerksamkeit der Unternehmen im Hinblick auf die Kundenwünsche unterentwickelt oder nicht vorhanden ist. Insbesondere im produzierenden Gewerbe und in Handelsbetrieben werden nach Produktkauf noch immer Service-Dienstleistungen stiefmütterlich behandelt. Welches Potenzial aber in diesem Bereich steckt und warum Sie Schluss mit der Servicewüste machen sollten, zeigt dieser Beitrag.

 

Die Krux mit dem Service

Die Wettbewerbslandschaft in Deutschland ist grundsätzlich sehr kompetitiv. Bedingt durch jahrelange Indoktrination der Käuferschicht hinsichtlich einer „Geiz ist geil“-Mentalität, fungierte der Preis oftmals als entscheidender Faktor, bei welchem Anbieter Produkte erworben wurden. Um möglichst günstige Preise anbieten zu können, wurden Dienstleistungen weitestgehend eingespart. In der Folge entwickelten sich beispielsweise Fluglinien zu Vorreitern dieses Trends. Indem der Preis eines Produktes bzw. einer Dienstleistung zum primären Marketinginstrument avanciert, entstehen jedoch Herausforderungen. Allen voran entsteht eine konkrete Vergleichbarkeit von Produkten und Dienstleistungen, die durch das Internet weiter angetrieben wird. Der emanzipierte Käufer kann mit einem Klick in einer Übersicht auf einem Preisvergleichsportal jederzeit erkennen, wo es das jeweilige Produkt zu welchem Preis zu erwerben gibt und dementsprechend beim günstigsten Anbieter kaufen. Ein Geschäft, welches vor allem für die Unternehmen mit den optimiertesten Lieferketten und großen Mengen einträglich ist; vor allem KMU können hier oftmals mit den Konditionen nicht mithalten. Als eine der Folgen verschwinden viele Einzelhändler aus deutschen Innenstädten; Onlineshops werden stiefmütterlich behandelt oder abgeschaltet.

Mit der Digitalisierung auf dem Weg zur Serviceoase

Die Digitalisierung ermöglicht nun durch technologischen Fortschritt und Automatisierung einen nie dagewesenen Service-Level entlang der gesamten Customer Journey. Im Zusammenhang mit den neuen technologischen Möglichkeiten lassen sich bestehende Unternehmensprozesse hinterfragen und optimieren. Damit einher geht der Wandel hin zum Service-orientierten Unternehmen. Immer mehr Betriebe versuchen durch gezielte Dienstleistungen nicht nur Alleinstellungsmerkmale zu entwickeln, sondern den Kunden langfristig zu bilden. Dieser Paradigmenwechsel ist über alle Branchen und Unternehmensarten zu verfolgen. Wer es hier schafft, neue Konzepte zu entwickeln, kann Marktanteile der Marktbegleiter gewinnen. Und die Kundschaft? Die reagiert durchaus positiv auf die neuen Entwicklungen und sind bereit für einen Service-Mehrwert auch einen höheren Preis zu bezahlen. Die ehemalige „Geiz ist geil“-Mentalität vieler Kunden weicht einer größeren Markenverbundenheit. Bei dieser kommt es jedoch ganz auf die jeweilige Generation an. Während die Baby Boomers sich primär von bewährten Marken in ihren Kaufentscheidungen beeinflussen lassen, sind Millennials bzw. die Generation Z kritische Käufergruppen, die vor allem Marken anhand ihrer Werte auswählen. Inhalte werden primär digital konsumiert, wer hier nicht vertreten ist, erreicht diese Zielgruppe nur noch schwer. Und der Service spielt hier eine besondere Rolle, wie nachfolgend einige Beispiele zeigen:

  • Digitale Einkaufsberater unterstützen bei der Zusammenstellung von modischen Outfits
  • Pflegeprodukte werden für die Damen als „Beauty Box“ oder „Barber Box“ für die Herren in monatlichen Abonnements veräußert
  • Die Onlinemetzgerei bietet mit einem zahlungspflichtigen „Beef Club“ zusätzlichen Mehrwert in Form von Rabatten, Rezepten und speziellen Grillkursen
  • Die App eines Onlineversandhandels für Brillen ermöglicht das digitale Anprobieren der gewünschten Modelle
  • Die Fitnessprogramme bekannter Fitness-Studios stehen den Kunden auch als digitale Trainingseinheiten für zu Hause zur Verfügung
  • Ein B2B-Büromöbel-Ausstatter berät nicht nur die Betriebe hinsichtlich passender Einrichtungsgegenstände, sondern unterstützt aktiv durch Büroplanung den Wandel zur modernen Arbeitsumgebung

Die obigen Beispiele zeigen eindrucksvoll, dass vor allem der Service-Mehrwert von Unternehmen eine immer größere Rolle spielt. Betroffen sind alle Abteilungen im Unternehmen gleichermaßen:

  • Das Marketing baut nicht mehr auf den Preis, sondern den Wert auf; Unique Selling Propositions (USPs), also die Alleinstellungsmerkmale, rücken in den Vordergrund der Kommunikation. Während der gesamten Kundenanbahnungsphase unterstützt das Marketing diesen Prozess durch Inhalte mit Mehrwert.
  • Der Vertrieb muss wirklich kundenzentriert arbeiten. Dies bedeutet, dass der gesamte Kaufprozess nicht anhand der Wünsche der Vertriebler, sondern anhand der Bedürfnisse der Kunden ausgerichtet wird.
  • Der Kundenservice steht jeher vor der Herausforderung, dass Probleme bestmöglich für den Kunden zu lösen sind, ohne größere Verluste für das Unternehmen zu bedeuten. Vor allem durch das Internet kann dabei eine positive Kundenerfahrung (z.B. bedingungsloser Austausch eines fehlerhaften Produktes) zum Multiplikator avancieren, während eine negative Kundenerfahrung garantiert geteilt wird und im schlimmsten Fall einen sogenannten „Shitstorm“, also eine digitale Empörungswelle, auslösen kann. Der Kundenservice muss dabei längst auf allen relevanten Plattformen auch aktiv auf Kunden zugehen und beispielsweise auf negative Tweets, Ratings oder Nachrichten in den sozialen Medien reagieren. Idealerweise kann eine professionelle Reaktion auf eine schlechte Bewertung so zu einer positiven Marketingmaßnahme avancieren.
  • Beschaffung, Produktion und Buchhaltung gilt es ebenfalls auf die kundenzentrierte Herangehensweise einzuschwören. Customizing wird ein immer relevanterer Anteil der Produktion; Nutzer der Generation Y möchten individuelle Produkte erhalten. Dies bedeutet vor allem in der Beschaffung und der Produktion ein Umdenken. Und die Buchhaltung muss sich stets bei der Abrechnung und Inkasso in Erinnerung rufen, dass die Kundenzufriedenheit durch die notwendigen Maßnahmen nicht leiden darf.
  • Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang ebenfalls das Top-Management. Digitale, service-orientierte Geschäftsmodelle sollten hier entwickelt und die Dienstleister-Mentalität aktiv vorgelebt werden. Steht das Management nicht geschlossen hinter der Entscheidung, werden die Mitarbeiter diese auch nicht konsequent umsetzen.

IT-Systeme bilden das Fundament der neuen Service-Gesellschaft

Um entlang der gesamten Customer Journey mit dem Service-Mehrwert zu agieren, benötigt es ein funktionierendes IT-Fundament. Alle Abteilungen müssen Hand in Hand kooperieren, eine durchgängige Datenverfügbarkeit ist unumgänglich. In der Praxis werden heterogene IT-Landschaften mit Insellösungen daher immer häufiger durch ganzheitliche IT-Systeme abgelöst. In Verbindung mit der Cloud entstehen für Unternehmen trotz gesteigerter Anforderungen durch die Digitalisierung somit verwaltbare homogene IT-Landschaften. Durch Einsatz eines Cloud ERPs kann das Unternehmen beispielsweise relevante IT-Systeme wie Warenwirtschaft mit Beschaffung, Lagerhaltung und Verkauf, CRM, Service und Produktion in einer Plattform abbilden. Durch zusätzliche Onlineshop-Module lässt sich die Grundlage für den Vertrieb der Produkte und Dienstleistungen über das Internet abbilden.

Durch die Integration aller Unternehmensbestandteile in ein System lässt sich eine skalierbare IT-Infrastruktur errichten, die wirklich nutzerzentriert ist. Alle Kundeninformationen können auf einen Blick erfasst und auf Basis der individuellen Wünsche entsprechend im Vertrieb, in der Abrechnung und im Service agiert werden. Und selbst im Marketing lassen sich auf Basis von unterschiedlichen Zielgruppen relevante Informationen versenden, um die Service-Vorteile noch deutlicher zu kommunizieren. In der Folge erblühen immer mehr Serviceoasen, die sich relevante Marktanteile sichern und neue Wege bestreiten.